Integrationsangebote für Groß und Klein
Auf dem Gelände der ehemaligen Bundeswehrkaserne Fünfeichen in Neubrandenburg ist eine außergewöhnliche Zusammenarbeit entstanden: Der ASB betreibt dort eine große Wohnaußenstelle für Flüchtlinge und bietet zahlreiche Angebote hin zur Integration an. Ein Erfolgsmodell.
In der Kindertagesstätte in Fünfeichen geht es zu wie in jeder anderen Kita auch: Einige Kinder toben im Hof und auf dem Rasen, andere spielen mit Bauklötzen und anderen Spielsachen, wieder andere sitzen auf einem warmen Teppich und sehen Bilderbücher an. An den Wänden hängen Collagen vom Schnee im Winter, gebastelte Masken aus der Karnevalswoche und bunte, selbstgemalte Tierbilder.
Und doch ist einiges hier anders: Die Kinder reden, jubeln und schimpfen in unterschiedlichen Sprachen. Arabisch und Farsi sind die häufigsten. Aber auch deutsche Wörter und Sätze sind immer wieder zu hören. Bis zu 200 Kinder werden in Fünfeichen betreut – von ASB-Mitarbeitern, aber auch von zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die sich für die Bewohner und ihre Integration in Deutschland einsetzen.
„Einige Erzieherinnen und Erzieher würden wir gerne noch einstellen", sagt Frank Brehe, Geschäftsführer des ASB-Regionalverbandes Neubrandenburg-Mecklenburg-Strelitz. Insgesamt ist er aber mehr als zufrieden mit der Arbeit in Fünfeichen. Zusätzlich zur Kindertagesstätte gibt es dort auch eine von zum Großteil freiwilligen Helfern getragene Deutschlernschule für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Und seit Januar 2016 auch eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Geflüchtete.
Herausforderung erfolgreich gemeistert
„Das Projekt hier ist unsere größte Herausforderung", gesteht Frank Brehe. Mehr als 60 Vollzeitstellen hat er für die 750 Plätze umfassende Einrichtung in Fünfeichen geschaffen, außerdem fünf Plätze innerhalb des Bundesfreiwilligendiensts. Desweiteren helfen zahlreiche ehrenamtliche und freiwillige Mitarbeiter von der Caritas, dem Behindertenverband und Neubrandenburg hilft" zum Beispiel in der Kleiderkammer und der Schule mit. Trotzdem hatten der Geschäftsführer sowie die beiden Einrichtungsleiter Thomas Munzinger und René Burmeister von Oktober bis Dezember keinen freien Tag.
Doch die Arbeitsbelastung merkt man dem engagierten Team nicht an. „Natürlich arbeiten wir alle viel. Aber die Arbeit erfüllt uns auch. Und wir bekommen sehr viel zurück", sagt einer der beiden Einrichtungsleiter, Thomas Munzinger . Dem Neubrandenburger gefällt seine Aufgabe in Fünfeichen sehr. „Beim uns stehen sowohl die Mitarbeiter als auch die Menschen, um die wir uns kümmern, im Mittelpunkt", erklärt er. „Das zeichnet uns als ASB aus und das motiviert mich auch in stressigen Zeiten." Das tun auch die Mitarbeiter der anderen Organisation, die in Fünfeichen im Einsatz ist: die Soldaten der Bundeswehr. „Die Kooperation verläuft nicht nur völlig problemlos, die Bundeswehr hat uns Strukturen aufgezeigt, mit denen wir jetzt weiterarbeiten können. Wir sind richtig gute Kollegen geworden und ergänzen uns in vielem", sagt Munzinger.
Die Zusammenarbeit wird auch von den Bewohnern gelobt. Ahmed, ein junger Schreiner aus Syrien, lacht, wenn man ihn auf die besondere Wohnsituation in einer ehemaligen Kaserne anspricht. „Ich war am Anfang überrascht, dass es hier Soldaten gibt. Aber sie sind ganz anders als die Soldaten in Syrien. Sie helfen uns genauso wie die Mitarbeiter des ASB." Ahmed sagt, die Soldaten in ihren Uniformen und das ASB-Team mit den gut sichtbaren Logos auf der Kleidung gäben ihm ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit. Am meisten freut ihn, dass er in Neubrandenburg gleich mit dem Deutschlernen anfangen kann. Einige Wörter mag er besonders: „Sonne, Frieden, Fußball" hat er sich zuerst gemerkt. Auch vorstellen kann er sich mittlerweile auf Deutsch.
Große Vielfalt an Integrationshilfen
Die Deutschkurse gehören zum Integrationsprogramm des ASB Neubrandenburg/Mecklenburg-Strelitz. „Wir sind eine Wohnaußenstelle, das heißt, die Bewohner bleiben in der Regel nur wenige Wochen oder Monate bei uns. Wir wollen diese Zeit trotz ihrer Kürze aktiv nutzen, um ihnen eine möglichst gute Starthilfe für das Leben in Deutschland zu geben", erklärt Einrichtungsleiter Munzinger.
Gemeinsam mit seinem Kollegen René Burmeister hat er ein vielfältiges Angebot an Integrationshilfen zusammengestellt. Wer neu einzieht, muss eine Begrüßungsveranstaltung besuchen, in der nicht nur die Hausordnung und wichtige Regeln wie die Pünktlichkeit bei Terminen, sondern auch praktische Fragen wie die nach der Nutzung europäischer Toiletten erklärt werden. Die Stadt Neubrandenburg und ihre Umgebung werden ebenso vorgestellt wie der ASB. Außerdem gibt es regelmäßig Informationsabende zur Kultur in Deutschland und Sprachmittler helfen bei Behördengängen oder Arztbesuchen.
Haia und Moiat freuen sich über diese Angebote. Gemeinsam mit ihrem knapp einjährigen Sohn sind sie aus Syrien geflohen, als ihre Nachbarn von der Militärpolizei verhaftet und Freunde hingerichtet wurden. Haia vermisst ihren Vater und ihre Schwestern, Moiat sein Jurastudium und seine Arbeit als Schneider. Beim Deutschkurs lernen die beiden nicht nur Vokabeln, sondern schöpfen auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Als sie in der Krabbelecke mit ihrem Sohn spielen, klingen sie zuversichtlich. „Wenn alles gut geht, wächst unser Kleiner von Anfang an zweisprachig auf und wird ein Leben in Frieden und Sicherheit haben", sagt Haia. „Dafür sind wir sehr dankbar."
Doch nicht nur die Bewohner, auch die Mitarbeiter werden vom ASB unterstützt. Sie durchlaufen Kurse für interkulturelle Kommunikation und deeskalierende Kommunikation, die der ASB-Bundesverband direkt in den Unterkünften durchführt. „Uns ist es wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut auf ihre Aufgaben vorzubereiten und ihnen Sicherheit für ihre Tätigkeit mitzugeben", sagt Thomas Munzinger. Eine Maßnahme, die sich auszahlt: „Wir sind die einzige Unterkunft in der Umgebung, in der es bisher keine schwerwiegenden Zwischenfälle gegeben hat."
Die vielen guten Integrationsangebote in Fünfeichen haben dazu geführt, dass der ASB Neubrandenburg-Mecklenburg-Strelitz als „ASB-Leuchtturm für Flüchtlingshilfe und Integration" ausgezeichnet wird. „Wir wollen unsere Arbeit fortsetzen, so lange sie gebraucht wird", erklärt ASB-Regionalgeschäftsführer Frank Brehe.