Eingliedern statt Ausschließen: Menschen durch Reintegration eine Zukunft geben
In Georgien gibt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Menschen, die aus der Haft entlassen wurden, eine neue Perspektive – so wie Levan, der nach seiner Haftstrafe monatelang erfolglos nach einer neuen Arbeit suchte. Im Rahmen des Programms „Bildung zur Wiedereingliederung – Der Weg zur Rückkehr in die Gesellschaft“ erhielt er Unterstützung beim Aufbau eines landwirtschaftlichen Betriebes.
Vorsichtig pflückt Levan Balkania eine weitere Haselnuss vom Strauch und legt sie in einen geflochtenen Weidenkorb. Ein paar weitere Handgriffe folgen. Bereits nach wenigen Minuten ist der Korb gut gefüllt. Anschließend belädt Levan den roten Traktor mit allen gefüllten Körben und macht sich zurück zum kleinen Steinhaus, in dem er gemeinsam mit seiner Familie lebt. Bevor Levan als Landwirt Maisfelder pflügte, sich um Kühe und Hühner kümmerte und Haselnüsse von Sträuchern pflückte, war er in der öffentlichen Verwaltung tätig. Doch dann wurde er in eine kriminelle Geschichte verwickelt. Er verlor seinen Job und es kam zum Gerichtsverfahren: Levan wurde auf Bewährung verurteilt. Nach dem Verfahren versuchte er viele Monate lang einen Job im privaten Sektor zu finden, doch seine Suche blieb erfolglos. „Auch wenn ich bei fast allen Bewerbungsgesprächen der Wunschkandidat war, sobald sie erfuhren, dass ich auf Bewährung verurteilt bin, herrschte plötzliche Stille im Raum und sie haben mir abgesagt“, erzählt Levan unter Tränen.
Betreuungsangebote für ehemalige Häftlinge und Menschen, die auf Bewährung verurteilt sind, sind selten. Für viele der Menschen ist es schwer, nach ihrem Aufenthalt in der Haftanstalt wieder ein normales Leben zu führen und den Weg zurück in den Berufsalltag zu finden. Sie fühlen sich allein gelassen und sind Vorurteilen und Stigmata ausgesetzt. Um Menschen wie Levan bei der Reintegration zu unterstützen, wurde das Programm „Bildung zur Wiedereingliederung – Der Weg zur Rückkehr in die Gesellschaft“ ins Leben gerufen. Das Projekt wird seit 2017 vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Georgien gemeinsam mit georgischen Partnerorganisationen durchgeführt und finanziell von der Europäischen Union unterstützt. Ziel des Projektes ist es, Menschen, die in Konflikt mit dem Gesetz gekommen sind, auf ihrem Weg zurück in die Gesellschaft zu helfen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der beruflichen Perspektive und beinhaltet eine Berufsberatung, Unterstützung bei der Unternehmensgründung und psychologische Hilfe. Außerdem wird die Gründung von Betrieben wie Schreinereien oder Cafés gefördert, die wiederum ehemalige Häftlinge als Mitarbeiter einstellen.
Da Levan mit seinen Bewerbungsgesprächen keinen Erfolg hatte, konzentrierte er sich auf den Ausbau seiner Landwirtschaft und bewarb sich mit seiner Gründungsidee beim ASB. „Dieses Programm war für mich ein Hoffnungsfunke, um endlich wieder ein Teil der Gesellschaft zu sein“, so Levan, der seine Straftat zutiefst bedauert. Auch Maia Galbaia’s Projekt, die einen Friseursalon in der georgischen Grenzstadt Khobi gründete, wurde vom ASB unterstützt. Mit dem Friseursalon hat sie sich einen Traum verwirklichen können. „Ich liebe meinen Beruf“, erzählt sie stolz. „Schon früher habe ich die Haare von Puppen geschnitten und jetzt ist mein Traum wahr geworden. Ohne die Unterstützung des ASB hätte ich das alles nicht erreichen können, denn ich muss mich um die Kinder kümmern und habe auch sonst niemanden, der mir hilft.“
Auch Maia ist auf Bewährung verurteilt. Die Auflagen fordern es, dass sie weiter in Khobi lebt. Im Jahr 2018 absolvierte sie im Rahmen des Programms einen zweimonatigen Praktikumskurs und erhielt das nötige Handwerkszeug wie einen Haartrockner, Haarschneider und einen Spiegel, um als Stylistin ein kleines Unternehmen zu gründen. „Das hier ist meine letzte Chance und ich bin sehr dankbar dafür“, meint die Mutter von zwei Kindern erleichtert.