Die ganze Vielfalt unserer Gesellschaft
Einer der Höhepunkte im vergangenen Jahr war die Bundesjugendkonferenz in Leipzig. Nach deren Ende formulierte die wiedergewählte Bundesjugendleiterin Anna Witt das Resümee so: „Die Konferenz hat sich nicht nur theoretisch mit dem Thema Vielfalt beschäftigt, sie hat durch die Wahl auch die neue Bundesjugend vielfältiger gemacht: Sie ist ein guter Mix aus engagierten Ehrenamtlichen unterschiedlicher Geschlechter, Altersgruppen und Herkunft.“ Eine neue Diversität, die bereits in den Projekten der Arbeiter-Samariter-Jugend (ASJ) sichtbar geworden ist.
Nach fast vier Jahren unfreiwilliger Corona-Pause konnte das Bundesjugendtreffen mit integriertem Bundesjugendwettbewerb im Mai 2022 endlich wieder stattfinden. Rund 200 Jugendliche und junge Erwachsene aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland kamen über das Himmelfahrtswochenende in Regensburg zusammen, um sich in Erster Hilfe, Geschicklichkeit und Kreativität zu messen.
Rund 200 Teilnehmende beim Bundesjugendwettbewerb
Im Fokus des Treffens stand der 29. Bundesjugendwettbewerb, bei dem die Wettbewerbsgruppen ihr Erste-Hilfe-Können an realistisch inszenierten Unfallstationen unter Beweis stellen mussten. Diesmal gehörten ein Sturz aus großer Höhe, ein Autounfall, ein Grillunfall und eine Reanimation zu den Aufgaben. Als besondere Herausforderung galt es, an einer der Parcours-Stationen mit Unterstützung der befreundeten DLRG per Boot auf die andere Seite überzusetzen. Die erfolgreichsten Teams der Altersklassen Schüler und Jugend qualifizierten sich zur Teilnahme am europaweiten SAM.I.-Contest, der Ende Juli 2022 in Bruneck, Südtirol, stattfand.
Highlight des Bundesjugendtreffens 2022 war die feierliche Abschlussveranstaltung mit Siegerehrung und Party auf dem Donauschiff „Kristallkönigin“, das zur Abendstunde, während die Sieger:innen gekürt wurden und später alle das Tanzbein schwangen, mit allen Feiernden bis zur Walhalla und zurück schipperte.
Bundesjugendleiterin Anna Witt war beeindruckt von dem großartigen Engagement der ASJler:innen: „Ich bin total stolz auf alle, die hier sind – weil die Wettbewerbsteilnehmenden unter Beweis stellen, dass sie in Notsituationen helfen können, keine Angst haben mit anzupacken, viel Fachwissen mitbringen und dies auch weitergeben. Es ist schön zu sehen, wie alle zusammenkommen und gemeinsam Spaß haben.“
Inklusionsseminar in der Speicherstadt
Im März 2022 kamen ASJler:innen bei einem Seminar in Hamburg zusammen, um sich mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen, Neues zu lernen und sich auszuprobieren. Besonders beeindruckend war der praktische Teil am ersten Seminartag. Dafür stand ein Besuch des Dialoghauses auf dem Programm, bei dem sich die Teilnehmer:innen mit praktischen Übungen ganz realistisch in die Situation blinder und tauber Personen hineinversetzen konnten.
Während Einschränkungen beim Sehen und Hören plötzlich am eigenen Leib spürbar wurden, fanden die jungen Samariter:innen Antworten auf ihre Fragen: Wie ist es, als blinder Mensch durch einen Park zu laufen oder eine vielbefahrene Straße zu überqueren? Wie bekommt ein tauber Mensch einen Feuer- oder Notfallalarm mit? Und wie kommunizieren taube Menschen überhaupt? Das Besondere: Die Übungen wurden von „Guides“ durchgeführt, die selbst von einer Behinderung betroffen – also taub oder blind – sind. Sie berichteten auch von ihren eigenen Einschränkungen, die häufig durch Behinderungen in der eigenen Umgebung ausgelöst werden.
E. Köhnlein
Am zweiten Tag lernten die Seminarteilnehmer:innen die theoretischen Grundlagen von Inklusion kennen und wie sie das erlernte Wissen mitnehmen sowie in ihren eigenen Gruppenstunden anwenden können. Hier ging es vor allem um Fragen wie: Was bedeutet Inklusion? Wie können wir Inklusion leben und dafür sorgen, dass sich auch bei uns im Verband alle willkommen und berücksichtigt fühlen? Wie gestalte ich Ausschreibungen so, dass sich auch Menschen mit Behinderung davon angesprochen fühlen, und wie kann ich eine Freizeit oder Gruppenfahrt so planen, dass auch wirklich alle dabei sein können?
Die Seminarteilnehmer:innen waren nach dem Wochenende in Hamburg nicht nur von der praktischen Erfahrung berührt, sondern auch für das Thema Inklusion sensibilisiert und voller Tatendrang hinsichtlich ihrer Arbeit in der ASJ.
Bundesjugendkonferenz: Diversität leben und fördern
Am 17. und 18. Juni fand die 21. Bundesjugendkonferenz der Arbeiter-Samariter-Jugend Deutschland in Leipzig statt. 60 Delegierte verabschiedeten das Positionspapier „GemeinSam Vielfalt leben – Diversität in der ASJ leben und fördern“ und beschlossen zugleich eine Version in Einfacher Sprache.
Der neue Bundesjugendvorstand wurde beauftragt, in der nächsten Amtsperiode die Digitalisierung in der ASJ voranzutreiben. Außerdem wurden ein Antrag an die ASB-Bundeskonferenz und umfangreiche Satzungsänderungen beschlossen. Zukünftig sind laut Satzung der ASJ Deutschland auch virtuelle und hybride Formen von Gremiensitzungen möglich. Das Leitbild der ASJ wurde zugunsten von Offenheit für alle Geschlechtsidentitäten erweitert und eine geschlechterneutrale Satzung verabschiedet.
Was kann die ASJ tun, um die ganze Vielfalt unserer Gesellschaft unter ihren Mitgliedern abzubilden und alle tatsächlich in ihren Reihen willkommen zu heißen? Dies war die Leitfrage für einen Input von Ansgar Drücker, Geschäftsführer des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e. V. (IDA). In den anschließenden Workshops zur Umsetzung der fünf Vielfaltsdimensionen „geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung“, „körperliche und geistige Fähigkeiten“, „soziale Herkunft“, „Religion und Weltanschauung“ sowie „ethnische Vielfalt/Nationalität“ in den Angeboten der ASJ wurde intensiv diskutiert.
Im Rahmen der turnusmäßigen Neuwahlen wurde Anna Witt (Nordrhein-Westfalen) als Leitung der Bundesjugend wiedergewählt. Neue stellvertretende Leitung der Bundesjugend ist Adrian Rasch (Hessen). Als verantwortliche Person für die Finanzen wurde Anna Plank (Bayern) gewählt. „Die Konferenz hat sich nicht nur theoretisch mit dem Thema Vielfalt beschäftigt, sie hat durch die Wahl auch die neue Bundesjugend vielfältiger gemacht: Ein guter Mix aus engagierten Ehrenamtlichen unterschiedlicher Geschlechter, Alter und Herkunft. Ich freue mich sehr auf die vor uns liegende Amtszeit und darauf, den guten Spirit aus Leipzig in die inhaltliche Arbeit mitzunehmen“, resümiert Anna Witt.
Dieser Aufgabe widmen sich neben dem geschäftsführenden Vorstand die weiteren Vorstandsmitglieder Steven Braun (Rheinland-Pfalz), Dina Davidova (Bayern), Darius Molitor (Niedersachsen), Marco Niedenführ (Sachsen), Kevin Sell (Mecklenburg-Vorpommern) sowie Matthias Witt (Nordrhein-Westfalen). Die neu gewählte Bundesjugendkontrollkommission bilden Tamara Dolhaine (Nordrhein-Westfalen), Adrian Ernst (Sachsen) und Jens Schindler (Bayern).
Einen ersten Vorgeschmack auf neue Ansätze gab ein während der Klausurtagung des Bundesjugendverbandes erarbeitetes Strukturmodell, das noch mehr Beteiligung und gemeinsame Verantwortung aller ASJ-Ebenen zugunsten der Weiterentwicklung des Jugendverbandes bietet. So stellt sich die ASJ mit den Themenfeldern „Nachwuchsförderung“ und „Verbandsentwicklung“ für die Zukunft auf.
Blitzlichter aus den Landesverbänden
Zehn Jahre ASJ Bremen
Die ASJ Bremen feierte im letzten Jahr ihren zehnten Geburtstag. Neben zahlreichen Mitmach-Aktionen gehörte die Vorstellung der neuen SEG-Einsatzdrohne (Schnelleinsatzgruppe) zu den Highlights des Tages. Daneben gab es viele Aktionen rund um das Thema ASJ und Erste Hilfe. Die Teilnehmer:innen konnten eigene ASJ-Buttons herstellen, professionell Jutebeutel bemalen und bedrucken oder im Bobbycar-Rennen gegeneinander antreten.
Außerdem wurden die „ASBienen“, das mittlerweile recht bekannte Bienen-Projekt der ASJ Bremen, vorgestellt. Hier konnten sich die Besucher:innen über Bienenvölker informieren und selbst sogenannte „Seed-Bombs“ herstellen, welche eine Samenmischung für unterschiedliche bienenfreundliche Pflanzen zum Aussähen beinhalten.
Außerdem konnten die Besucher:innen eine Übung des Rettungsdienstes miterleben. Realistisch geschminkte Verletzungen und die Anfahrt eines RTW (Rettungstransportwagens) mit Blaulicht sorgten für eine hautnahe Erfahrung. Die Aktion wurde vom stellvertretenden Landesjugendleiter Maik Schreiber moderiert, der dem Publikum die einzelnen Arbeitsschritte des Rettungsdienstes erklärte.
Workshop mit Kindern aus Russland und der Ukraine der ASJ MV
Am ersten Adventswochenende 2022 richtete die ASJ Mecklenburg-Vorpommern wieder ihren traditionellen Weihnachtsworkshop in der Jugendherberge Burg Stargard aus. Acht ehrenamtliche Teamleiter:innen und 28 junge Teilnehmer:innen verbrachten diesmal das Wochenende gemeinsam mit einer Gruppe ukrainischer und russischer Kinder.
Am Freitagabend konnten sich die Kinder besser kennenlernen und neue Bekanntschaften schließen. Da alle Russisch sprechen konnten, war das Kennenlernbingo bereits zweisprachig – auf Russisch bis auf Deutsch – und machte die Kinder neugierig. Mit lebendigen Erzählungen konnten sie sich anschaulich ihre Traditionen näherbringen und Verständnis für kulturelle Unterschiede entwickeln.
Bei Teamspielen auf dem Außengelände zeigte sich, wie selbstverständlich und unterschiedslos die Kinder einander halfen und anfeuerten. Gekrönt wurde das abwechslungsreiche Wochenende – von Sport über Basteln bis Weihnachtssingen war alles dabei – vom überraschenden Besuch des Weihnachtsmanns, bei dem sich jedes Kind über ein kleines Vorweihnachtsgeschenk freuen konnte.
Engagement gegen Kinderarmut bei der ASJ NRW
Neben verschiedenen sozialen Themen beschäftigten sich die ASJler:innen in NRW vorrangig mit dem Thema Kinderarmut. Durch die engagierte Arbeit im Landesjugendring sowie auf Landes- und Regionalebene konnten bereits viele nachhaltige Aktionen und Projekte implementiert werden. Neben den kostenfreien Freizeit- und Bildungsangeboten wurden Fortbildungsveranstaltungen zur armutssensiblen Pädagogik, zu Empowerment und armutssensiblen Konzepten angeboten.
Im Sommer fand zu diesem Themenkomplex die erste ASJ-Ferienfreizeit statt. Das Angebot kam besonders Kindern zugute, für die eine Ferienreise finanziell sonst schwer realisierbar wäre. Das pädagogische Konzept der Veranstaltung zeichnete sich durch Armutssensibilität und Stärkung der Kinder aus. Herkunft und finanzielle Möglichkeiten spielten für eine Teilnahme keine Rolle. Und das Vorhaben ging auf – die kostenfreie Ferienfreizeit war ein voller Erfolg; mit rund 25 Teilnehmer:innen war die Veranstaltung komplett ausgebucht. Die Rückmeldungen der Eltern und Kinder waren durchweg positiv und voller Begeisterung. Die ASJ Oberhausen/Duisburg konnte als Veranstalterin alle Erwartungen übertreffen. Das Leuchtturm-Projekt wird im Jahr 2023 fortgeführt und diesmal von der ASJ Oberhausen/Duisburg gemeinsam mit der ASJ Mettmann durchgeführt.
Über den Tellerrand hinaus: Städtereise der ASJ München, Nürnberg und Erlangen
Im Sommer waren die Jugendgruppen aus Nürnberg, Erlangen und München gemeinsam auf Städtereise in Straßburg. Nach einem erlebnisreichen Auftakt im Europa-Park Rust stand am nächsten Tag eine Stadtrallye durch die Innenstadt von Straßburg auf dem Plan. Es mussten kniffelige Aufgaben gelöst, Fotos gemacht und Navigationskunst gezeigt werden. Der eine oder andere Abstecher in eine Bäckerei für ein leckeres Croissant oder Eclair durfte natürlich nicht fehlen.
Wer nach der ausgiebigen Stadtrallye noch nicht genug hatte, konnte sich am Nachmittag bei einem Besuch im Kletterwald weiter auspowern. Sportlich ging es auch am nächsten Tag bei einer Kanutour weiter: Die Gruppen legten paddelnd rund elf Kilometer zurück und mussten dabei nicht nur Bäume überwinden, sondern auch niedrige Brücken und Stromschnellen meistern. Vor der Heimreise besuchten die ASJler:innen das Europaparlament in Straßburg, um sich über die Europäische Union und eines ihrer wichtigsten Regierungsorgane zu informieren.
Auch für 2023 ist ein gemeinsamer Ausflug geplant: In der letzten Sommerferienwoche trifft sich die ASJ bei einem Zeltlager in der fränkischen Schweiz.