Wie widerstandsfähig ist Deutschland?
Auf dem Bevölkerungsschutzkongress des ASB am 10. April 2025 diskutierten Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Hilfsorganisationen über Resilienz, zivile Verteidigung und die Rolle der Gesellschaft in der Krise
Berlin, 10. April 2025 – Es war ein Tag, der die Schatten der Gegenwart nicht beschönigte – aber zugleich Mut machte. Beim Bevölkerungsschutzkongress des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschland e.V. (ASB) im Berliner Tagungswerk ging es nicht weniger als um die Frage, wie widerstandsfähig dieses Land in Zeiten multipler Krisen eigentlich ist – und wie es das werden kann.
„Wir haben den Frieden für selbstverständlich gehalten“
Knut Fleckenstein, Bundesvorsitzender des ASB, eröffnete den Kongress mit einer eindringlichen Standortbestimmung. „Wir haben geglaubt, dass der Frieden in Europa auf alle Ewigkeiten hält“, sagte er – und meinte damit nicht nur die sicherheitspolitische Naivität früherer Jahre, sondern auch das kollektive Vergessen, was zivile Vorsorge bedeutet. Die Pandemie, das Hochwasser 2021, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine – alle diese Ereignisse zeigen, dass Resilienz keine Floskel sei, sondern eine Notwendigkeit.
Mit Blick auf die ukrainischen Kolleg:innen vom Samariterbund, die unter ständigen Luftalarmen ihre Arbeit fortführen, erinnerte Fleckenstein daran, wie konkret Resilienz sein kann. „Die sogenannten Betreuungspunkte der Unbeugsamkeit in Kiew zeigen, was machbar ist – auch in größter Not“, sagte er. Diese Praxisbeispiele und was man auch in Deutschland darüber lernen kann, standen später in einem Workshop im Zentrum.
„Zivile Verteidigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“
In der anschließenden Keynote sprach Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), von einer „fundamentalen Zeitenwende“. Zivile Verteidigung sei heute nicht mehr nur eine staatliche Aufgabe, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag – einer, der aktives Mitdenken und Mitwirken erfordert. „Es reicht nicht, wenn der Staat vorbereitet ist – auch die Bevölkerung muss mitziehen“, betonte Tiesler. Und er warnte vor Illusionen: „Die hybride Bedrohungslage ist real. Wir müssen uns auf Szenarien einstellen, die vor einigen Jahren noch als unwahrscheinlich galten.“
In einer weiteren Keynote sprach Prof. Martin Voss, Leiter der Krisen- und Katastrophenforschungsstelle der FU Berlin, über den Schutz der Bevölkerung im Epochenwandel. In verschiedenen Kontexten hat er bereits darauf hingewiesen, dass sich der Bevölkerungsschutz an die sich wandelnden gesellschaftlichen und globalen Bedingungen anpassen müsse. Denn unsere gegenwärtige Situation sei so verwickelt und so sehr Ergebnis vielfältiger menschlicher Bestrebungen, dass keine Kombination rein technischer, wirtschaftlicher oder gesetzlicher Maßnahmen ausreiche, um adäquate Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu finden, hob er kürzlich auch in seiner Rede im Deutschen Bundestag hervor.
Zwischen Planspiel und Praxis
Der Bevölkerungsschutzkongress zeigte in seinem dicht gepackten Programm, wie breit das Thema Resilienz gedacht werden kann – und muss. Vom Planspiel zur hybriden Bedrohung über den Klimawandel bis hin zur Resilienz besonders gefährdeter Gruppen reichten die Workshops. Was auffiel: Die klassische Trennung zwischen Zivil- und Katastrophenschutz, Außen- und Innenpolitik, Haupt- und Ehrenamt verschwimmt zunehmend. Stattdessen wurde der Kongress zur Bühne eines integrativen Verständnisses von Sicherheit.
Marie-Luise Beck vom Deutschen Klima-Konsortium warnte davor, Klimarisiken als Nebenschauplatz zu sehen: „Der Klimawandel ist ein Risikomultiplikator – er trifft die Schwächsten zuerst.“ Und Ingo Schlotterbeck vom ASB Ostwestfalen-Lippe zeigte, wie sich regionale Gliederungen ganz konkret aufstellen können – mit mobilen Betreuungseinheiten, Vorratskonzepten und ehrenamtlichem Training.
Das Ehrenamt – Rückgrat mit Rückenschmerzen
Immer wieder kam zur Sprache, was viele denken, aber zu selten sagen: Der Bevölkerungsschutz in Deutschland steht auf den Schultern Ehrenamtlicher. 90 Prozent aller Akteure sind Freiwillige – und stoßen zunehmend an Grenzen. Fleckenstein forderte daher nicht nur eine bundeseinheitliche Helferfreistellungsregelung, sondern auch eine rechtliche und finanzielle Stärkung der Hilfsorganisationen: „Das geht so nicht mehr – das Ehrenamt muss gestärkt werden.“
Auch das Publikum, bestehend aus Vertreter:innen von Hilfsorganisationen, Behörden, Wissenschaft und Politik, nutzte die Gelegenheit zum offenen Austausch. In einem der Präsentationsräume konnten die Besucher:innen einen Blick auf ein Vorratslager für eine vierköpfige Familie werfen – und sich dabei fragen: Wo stehe ich eigentlich beim Thema Resilienz?
Fazit: Zwischen Appell und Aufbruch
Am Ende des Kongresses stand nicht nur die Erkenntnis, dass Deutschland beim Thema Bevölkerungsschutz viel aufzuholen hat. Es war auch spürbar: Es gibt eine Bereitschaft zum Wandel. In der Abschlussdiskussion, moderiert von ASB-Bundesvorständin Kristin Schuhmann, wurden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert – vom Ausbau der Ausstattung über mehr Mittel für Selbstschutz-Schulungen bis hin zu einer stärkeren Rolle der Hilfsorganisationen in staatlichen Strukturen.
Fleckensteins Resümee war klar und unmissverständlich: „Wir können das. Und wir sind bereit.“ Eine wichtige Botschaft, die man von diesem Tag mitnehmen konnte.
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Diana Zinkler
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