Gute Führungskräfte hören zu
Der ASB fragte Abtprimas Dr. Notker Wolf, was eine gute Führungskraft ausmacht. Im Interview erklärt das Oberhaupt der Benediktiner, warum sich Wohlfahrtsverbände wie Klöster führen lassen.
Zu Tagungen lädt der ASB gerne externe Experten ein, um von deren Erfahrungen zu lernen. So hielt das Oberhaupt der Benediktiner, Abtprimas Dr. Notker Wolf, beim Sozialpolitischen Fachkongress in Hamburg einen Vortrag über die „Kunst, Menschen zu führen“. Der 73-jährige Chef des Benediktinerordens repräsentiert mehr als 1.000 Klöster sowie 25.000 Mönche und Nonnen in aller Welt: Die Führung von Menschen gehört zu den Hauptaufgaben des Abtprimas. Vor seinem Vortrag entstand das folgende Interview.
Herr Abtprimas Dr. Wolf, lassen sich Wohlfahrtsverbände wie Klöster führen?
Ja. Drei Aspekte sind dabei entscheidend: Erstens muss ich den Einzelnen als wertvollen Menschen wahrnehmen und dafür sorgen, dass er sein Bestes geben kann. Zweitens muss ich wissen, wie ich mit Gruppen umgehe, und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Angstfreiheit schaffen. Und als Führungskraft sollte ich drittens die Ideen der anderen zusammenbringen.
Was zeichnet eine gute Führungskraft aus?
Als Führungskraft sollte ich genug Distanz zu mir selbst und zur Macht haben. Außerdem darf ich mich selbst nicht zu ernst nehmen und sollte über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügen.
Kann man diese Eigenschaften in Kursen erlernen?
Nicht jeder kann Führungskraft werden. Einiges lässt sich erlernen, vieles aber auch nicht, wie zum Beispiel die Fähigkeit, Menschen zu mögen.
Gelten diese Empfehlungen auch für Führungskräfte auf mittlerer Ebene wie zum Beispiel der Leiterin einer Kindertagesstätte?
Ja, sie gelten für alle. Eine Kita-Leiterin sollte auch Zeit für die Belange der Kinder haben. Denn die Kita ist ja für die Kinder und nicht für sich selbst da. Die fehlende Zeit ist und bleibt zwar ein Dilemma, aber das darf mich als Führungskraft nicht stören. Man muss aber auch mal fünf gerade sein lassen und gelassen bleiben. Ich muss zum Beispiel akzeptieren, dass jemand seine Aufgaben halt auch mal nicht besser erledigen kann.
Sie berufen sich bei Ihren Ideen auf die Ordensregeln des heiligen Benedikts von Nursia. Wie er heben auch Sie das „Hören“ hervor. Was zeichnet gutes Zuhören aus?
Den Mund halten! Sich selber vergessen. Ein Gespür für den rechten Augenblick haben, so kann man dem anderen gerecht werden. Wenn ich dem anderen zuhöre, kann ich eine „Kopernikanische Wende“ erlebe. Ich sehe dann eine Situation von der Warte des anderen aus und verstehe ihn besser.
Im Berufsalltag fehlt oft die Zeit zum Zuhören. In Teamsitzungen bringt man sich gegenseitig schnell auf den neuesten Stand. Richtiges Zuhören ist da nicht möglich.
Man muss als Gruppe zusammenwachsen. Empathie spielt dabei auch eine große Rolle. Das ist die Stärke der Frauen, deswegen brauchen wir sie in den Gremien.
Der ASB besteht ähnlich wie der Benediktinerorden aus unabhängigen Gliederungen. Wie schaffen Sie es, Ihren Orden zusammenzuhalten?
Meine Macht ist die Machtlosigkeit. Ich kann keinem Kloster etwas vorschreiben, denn jedes Kloster ist selbstständig, insofern hat auch keiner Angst vor mir [Pater Wolf lacht]. Deswegen bin ich ein gern gesehener Gast und werde oft um Rat gefragt. Es dauert aber, bis Vertrauen aufgebaut ist. Das lässt sich nicht übers Knie brechen. Und Präsenz ist entscheidend, denn sie zeigt Interesse.
Sie spielen in einer Band und lieben Rockmusik. Was bringt Ihnen Ihr Hobby?
Ich spiele drei bis vier Konzerte dieses Jahr, sonst werde ich ja alt! Es ist die Freude an der Musik. Und es gibt eine sehr enge Verbundenheit mit der Band.
Sollten Manager auch Hobbys pflegen?
Sicher, auch wenn sich viele über die mangelnde Zeit beklagen. Aber da muss man die richtigen Prioritäten setzen. Zum Bespiel braucht man auf einer Dienstreise abends nicht mehr lange an der Bar zu sitzen. Was verpasst man schon? Man sollte sich dann lieber zum Beispiel mit einem Buch oder bei guter Musik entspannen.
Abtprimas Notker Wolf, herzlichen Dank!
Das Interview führte Astrid Königstein.