Einsatztagebuch Äthiopien und Uganda
ASB-Nothilfeexperte Carsten Stork war drei Wochen auf Assessment-Reise in der Krisenregionen Äthiopien und Uganda, um Hilfsmaßnahmen einzuleiten. In seinem Einsatztagebuch schildert er seine Eindrücke:
+++ Freitag, 19. August +++
Drei Wochen Assessment in Ostafrika liegen jetzt hinter mir. In den dreizehn Stunden Flugzeit habe ich die unterschiedlichen Eindrücke noch einmal Revue passieren lassen. Über die Dürre in Äthiopien bis hin zu den überfluteten Straßen in Uganda: Fest steht, dass wir den Menschen in einer akuten Krise so schnell wie möglich helfen müssen. Aber wir fühlen uns auch verpflichtet, die betroffenen Menschen so lange wie nötig zu unterstützen, um sie auf zukünftige Notlagen besser vorzubereiten. Der ASB wird deshalb nicht nur kurzfristig helfen, sondern sein Engagement in Äthiopien und Uganda langfristig planen. Jetzt freue ich mich aber erstmal auf eine vernünftige Dusche und mein Bett.
+++ Mittwoch, 17. August +++
Wir machen uns heute wieder auf den Rückweg nach Kampala. In den letzten Tagen haben wir zahlreiche Gespräche mit Vertretern der lokalen Behörden, internationalen Hilfsorganisationen und Dorfbewohnern geführt. Für uns ist klar geworden, dass es sich in Karamoja momentan nicht um eine akute Hungersnot handelt. Wie uns die Dorfbewohner bestätigt haben, gibt es in der Region jedoch eine chronische schlechte Nahrungsmittelsituation. Um eine Hungerkrise in der Region zu verhindern, haben wir uns bei unserem Assessment auf längerfristige Hilfsmaßnahmen konzentriert. So mangelt es in der Region zum Beispiel vielfach an sicheren Wasserstellen, sowohl für die Menschen als auch für das Vieh. Oftmals versiegt das momentan vorhandene Regenwasser einfach irgendwo und ungenutzt, da es nicht adäquat aufgefangen und für die Trockenzeit gelagert werden kann. Hier bieten sich durch den Bau von Oberflächendämmen, Zisternen oder Regenwasserauffangbehältern einfache Möglichkeiten, die Lebenssituation der Menschen auch nachhaltig und insbesondere in Trockenperioden zu verbessern. Mein Kollege Ivan Marin wird heute Nacht zurück nach Belgrad fliegen. Mein Rückflug nach Köln ist für morgen geplant.
+++ Montag, 15. August +++
Wir sind in Karamoja, einer Region an der ugandisch-kenianischen Grenze, angekommen. Die Situation der Menschen in Uganda ist glücklicherweise nicht so prekär, wie die in Somalia, Äthiopien oder Kenia. Dies bestätigte uns auch der Minister für Katastrophenprävention und Flüchtlinge, den wir in Kampala getroffen haben. Hier ist es deutlich grüner, als wir es zunächst erwartet hatten. Jedoch sollte dies nicht über die chronisch schlechte Ernährungssituation der Region hinwegtäuschen. Die Regenzeit hat in diesem Jahr wesentlich später eingesetzt. Mangelernährung gehört in Karamoja zum Alltag. Ferner darf man ja nicht vergessen, dass der jüngst einsetzende Regen zwar einerseits ein Segen ist, die leeren Mägen allein aber noch nicht füllt.
Die Region Karamoja ist eine halbtrockene Landschaft, die sich durch eine schwache Infrastruktur, kaum vorhandene Dienstleistungen, geringe landwirtschaftlicher Produktion, Lebensmittelknappheit und Mangelernährung auszeichnet. Sie gehört zu den unterentwickeltsten Regionen Ugandas. Rund 80 Prozent der Bevölkerung lebt von weniger als einem Euro am Tag und damit weit unterhalb der Armutsgrenze. Ähnlich wie in der äthiopischen Provinz Somali sind die meisten Menschen im östlichen Teil Karamojas Viehhirten. Allerdings kommt hier noch der Sicherheitsaspekt hinzu: man ist sich hier nicht unbedingt immer und überall gut Freund. Wiederholt kommt es zu Überfällen und Viehdiebstählen insbesondere in der Grenzregion zu Kenia.
+++ Sonntag,14. August +++
Am Abend sind wir im ASB-Büro in Moroto eingetroffen. Die Straßen in der Region waren trotz einsetzender Regenfälle einigermaßen befahrbar. Nach den ersten Gesprächen mit den Kollegen wird klar, dass wir die ursprüngliche Planung nicht einhalten können. Eigentlich hatten wir noch einen Feldbesuch in Kotido geplant, doch wie uns nun mitgeteilt wird, ist die Straße aufgrund der starken Regenfälle in den nächsten Tagen nicht befahrbar. Sintflutartige Regenfälle haben weiter nördlich zu schweren Überschwemmungen geführt, die das Leben der Menschen nicht unbedingt erleichtern. Durch die Trockenheit der vergangenen Monate ist der Boden dermaßen trocken, dass die Regenmassen ungebremst alles mit sich reißen und die ohnehin schmale Ernte einfach wegspülen.
+++ Donnerstag, 11. August 2011 +++
Ivan und ich sind gestern Nacht noch im ASB-Länderbüro eingetroffen. Dort haben wir erste Vorbereitungen für unsere Projektreise am Sonntag besprochen. Hier in Uganda hat gerade die Regenzeit begonnen. Deswegen steht noch nicht ganz fest, inwieweit wir überhaupt bis nach Moroti in Karamoja vordringen können. Die Springfluten der vergangenen Nacht haben wohl einige Straßen unterspült. Da wir bis Sonntag aber noch ein wenig Zeit haben, warten wir´s mal ab. Es erscheint tatsächlich etwas absurd, dass wir aufgrund der Dürre hier sind und nun vom Regen gestoppt werden …
+++ Mittwoch, 10. August 2011 +++
Wir sind wieder zurück in Addis Abeba. Dort habe ich mit den Kollegen von Islamic Relief die letzten Einzelheiten zu unserem gemeinsamen Projekt geklärt. Gemeinsam mit Islamic Relief wird der ASB ein Nothilfe-Projekt in Höhe von 200.000 Euro durchführen.
Heute Abend breche ich nach Uganda auf. In Kampala werde ich meinen Kollegen Ivan Marin treffen. Von der Hauptstadt werden wir in die Grenzregion Karamoja aufbrechen, wo der ASB ein Länderbüro unterhält.
+++ Sonntag, 7. August 2011 +++
Nach zwei Tagen Fahrt sind wir in Hargele angekommen. Dort führt Islamic Relief die meisten seiner Projekte durch.
Man rechnet hier in vier Jahreszeiten - jeweils zwei kurzen und zwei langen Regen- und Trockenzeiten. Die letzte Regenzeit von März bis Juni fiel komplett aus. Die davor liegende brachte nicht in allen Regionen die normale Regenmenge. Insbesondere die Hirtenfamilien in den Regionen Somali und Afarleiden unter den schwierigen Bedingungen. Sie mussten ihre üblichen Wanderrouten verlassen, um ausreichend Wasser für ihre Kamele, Ziegen und Rinder zu finden.
Zusätzlich verschärft wird die Situation durch Nomaden aus Somalia, die ebenfalls auf der Suche nach Weideland und Wasser für ihre Herden bis nach Äthiopien wandern. Die wenigen verbliebenen Ressourcen müssen nun also noch geteilt werden. Zu Konflikten führt dies jedoch nicht, denn die Wanderhirten - ganz gleich, ob sie aus Somalia oder Äthiopien kommen – gehören der Stammesfamilie der Somalis an. Die Nomaden haben nicht dieselbe Vorstellung von Grenzverläufen wie wir. Sie nehmen einfach die traditionellen Routen und halten sich nicht an kartierte Landesgrenzen.
Das Verlassen der üblichen Routen bedeutet für die Familien eine zusätzliche Belastung. Da die Tiere weniger Futter und Flüssigkeit zu sich nehmen, geben sie auch weniger Milch. Sie können die an Unterernährung leidenden Familien nicht mehr ausreichend mit Nahrung versorgen. Außerdem verlieren die Tiere an Wert. Die Familien können sie nur noch zu einem geringen Preis verkaufen und verlieren somit zusätzlich eine der wenigen Einkommensquellen. Dementsprechend ist den Menschen, die von der Dürre betroffenen sind, nicht nur durch schnelle Verteilungsmaßnahmen geholfen. Sie müssen mittel- und langfristiger Unterstützung erhalten. Ein nachhaltiger Ansatz ist erforderlich, um der ohnehin permanent angespannten Situation entgegenwirken zu können.
+++ Samstag, 6. August 2011 +++
Wir werden morgen in Hargele eintreffen. Zuvor haben wir noch die Möglichkeit, einen Abstecher nach Dolo Ado zu machen, wo die meisten Camps für somalische Flüchtlinge sind. In der Region Dolo Ado soll seit fünf bis sechs Jahren kein Regen gefallen sein.
Dolo Ado ist eine Grenzstadt und liegt an zwei Flüssen. Sie führen momentan ausreichend Wasser und übernehmen den Großteil der Wasserversorgung der Stadt. Aber in den letzen Monaten ist die Anzahl der Flüchtlinge in der Stadt so stark gestiegen, dass die Einwohnerzahl von einst wenigen tausend Bewohnern auf mittlerweile 45.000 Menschen angewachsen ist. Die neu angekommenen Flüchtlinge leben zunächst in Übergangscamps. Sie wohnen unter extrem einfachen Bedingungen, meist in selbst zusammengezimmerten Hütten oder einfachen Zelten. Hier findet ihre Registrierung statt. Danach werden sie in die eigentlichen Flüchtlingscamps weitergeleitet.
Die Hütten befinden sich außerhalb Dolo Ados irgendwo im Nirgendwo. Weit und breit wachsen keine Bäume, die Schatten spenden könnten, und bei Tagestemperaturen von bis zu 45 Grad lässt sich für uns erahnen, wie entbehrungsreich und anstrengend das Leben dort sein muss.
Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass diese Menschen ihre Familien, Häuser und Dörfer aufgrund der angespannten Situation in Somalia verlassen mussten. Etliche sahen sich gezwungen, ihre Äcker und die ursprünglichen Weidegebiete brach liegen zu lassen sowie ihr Vieh und all das, was sie nicht tragen konnten, weit unter Wert zu verkaufen.
Der Weg in eines der Flüchtlingscamps, wo sie mit Nahrungsmitteln versorgt werden, ist für viele der letzte Ausweg. Ein eigenverantwortliches Leben wird für sie auf lange Zeit nicht mehr möglich sein. Sie werden mit ihren Familien auch in den nächsten Jahren hier leben müssen.
Derzeitig existieren hier vier Flüchtlingslager: Bokolomanya, Melkadida, Kobe und seit letzter Woche Haloweyn. Ein weiteres Camp ist in Planung (Boramino). Zuletzt sind im Schnitt zwischen 200 und 300 neue Flüchtlinge täglich hinzugekommen. Insgesamt halten sich in den Camps rund 120.000 Menschen auf.
Logistisch ist der Zugang und die Versorgung der Camps, wie der gesamten Region, eine echte Herausforderung. Es gibt keinen Flughafen, nur eine kleine Piste, die allerdings auf kleinere Flugzeuge ausgerichtet ist. Hilfsgüter werden aus der Hauptstadt Addis mit LKWs in die Region transportiert. Die Fahrt kann bis zu zehn Tage dauern und der Transport ist dementsprechend zeit- und kostenintensiv.
Die Flüchtlinge werden hier von der internationalen Gemeinschaft mit dem Nötigsten versorgt, auch wenn es weiterhin an einigen Dingen mangelt. So ist insbesondere die Bereitstellung von ausreichend Latrinen für die Neuankömmlinge eine besondere Herausforderung. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln ist momentan jenseits der internationalen Standards. Nachts kühlt es in dieser Wüstenlandschaft empfindlich ab und insbesondere für die Kinder wird es dann richtig ungemütlich.
+++ Donnerstag, 4. August 2011 +++
Ganz generell gehen die Hilfsorganisationen hier in Äthiopien mit professionelle Gelassenheit mit der momentanen Situation um. Sie führen schon seit Monaten Projekte in den Bereichen Nahrungsmittelhilfe, Trinkwasserversorgung und Gesundheit durch. Dass es zu dieser Hungerkatastrophe kommen würde, war eigentlich schon seit Monaten bekannt.
Bei unseren Gesprächen informierten uns die Kollegen der vor Ort tätigen Hilfsorganisationen darüber, dass man bereits nach den sehr schwachen Regenzeiten des vergangenen Jahres auf eine Verschärfung der Lage hingewiesen hatte. Wir haben es hier nicht mit einer unmittelbaren Katastrophe wie einem Erdbeben oder Überflutungen zu tun. Vielmehr hat sich die Krise schleichend angekündigt. Hätte die internationale Gemeinschaft sie eher wahrgenommen, hätte man ihr auch früher begegnen können. Die internationale Öffentlichkeit ist allerdings erst Mitte Juli aufmerksam geworden.
+++ Mittwoch, 3. August 2011 +++
Heute fanden erste Treffen mit Vertretern der deutschen Botschaft, den Vereinten Nationen und der Europäischen Kommission sowie den lokale Ministerien statt. Zuwendungsgeber und Hilfsorganisationen kommen in regelmäßigen Abständen zusammen, um die laufenden Hilfsprojekte zu koordinieren.
Morgen werden wir dann von Addis Abeba ins Landesinnere reisen.
Vom Beginn des Ramadans haben wir relativ wenig mitbekommen. Das bunte Treiben auf den Straßen der Hauptstadt läuft uneingeschränkt weiter. Islamic Relief verteilt während der muslimischen Fastenzeit an die Ärmsten Lebensmittelpakete. Das Teilen spielt in dieser Zeit eine zentrale Rolle.
So wurden wir etwa nach unserer Ankunft eingeladen, am traditionellen iftar, dem Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, teilzunehmen. Als Christen sind wir ansonsten von den islamischen Essenszeiten unabhängig. Selbst unterwegs gibt es für uns tagsüber immer etwas zu essen. Meist das äthiopische Injera-Brot mit Tips, getrocknetem und kurz angebratenem Ziegenfleisch in Sauce.
+++ Dienstag, 2. August 2011 +++
Millionen Menschen in Ostafrika leiden unter der Dürre. Auch in Äthiopien und Uganda hungern die Familien und stirbt das Vieh. Ich werde für den ASB gemeinsam mit Islamic Relief, einer Partnerorganisation von Aktion Deutschland Hilft (ADH), ein Assessment durchführen, um dort Hilfe zu leisten.
Geplant ist, in den nächsten Tagen weiter in die Projektregion Somali zu reisen. Erster Stopp wird Negele sein und von dort weiter nach Hargele, wo Islamic Relief ein Feldbüro hat. Dort werde ich mir anschauen, in welchem Rahmen eine Kooperation zwischen dem ASB und Islamic Relief möglich ist.
Marion Michels